„In drei bis vier Wochen ist alles wieder normal!“ So oder so ähnlich haben neben mir viele Kollegen im März gedacht, als der Lockdown beschlossen wurde und alle Betriebe und Firmen ihre Arbeit niedergelegt oder aufs Home Office beschränkt haben. Diese Zeit liegt nun ein gutes halbes Jahr in der Vergangenheit und überstanden haben wir Corona, wie es scheint, noch lange nicht. Ganz im Gegenteil: Derzeit bricht die erwartete zweite Welle über uns herein und nachdem in den vergangenen Monaten immer mehr Lockerungen stattgefunden haben, geht der Spaß nun wieder von vorne los.
Während viele festangestellte Mitarbeiter ins Home Office geschickt wurden oder Kurzarbeit beantragt haben, mussten viele Soloselbstständige schauen, wo sie bleiben. Die anfangs sehr positiv aufgenommene Soforthilfe, die als schnelle und unbürokratische Hilfe versprochen war, erhielt besonders unter den Soloselbstständigen viel Kritik, da die möglichen Einsatzzwecke des Geldes immer wieder verändert worden sind. Tatsächlich ist bis heute nicht geklärt, für welche Ausgaben die Soforthilfe im Detail eigentlich genutzt werden darf. Entsprechend groß ist noch immer die Unsicherheit vieler Soloselbstständigen und ein Großteil meines Kollegenkreises hat in zahlreichen Gesprächen mit mir angegeben, dass die beantragten 9.000 Euro auf einem Unterkonto vor sich hin vegetieren, da sie sich fürchten, diese falsch einzusetzen und nachher doch zurückzahlen zu müssen.
Vor allem in meinem Wohnort NRW ist die Soforthilfen-Lage etwas speziell, da hier zu Beginn explizit zugesichert wurde, dass die Soforthilfe auch für private Kosten genutzt werden darf – doch bereits nach kurzer Zeit wurde dieser Absatz ersatzlos gestrichen und wer bereits Ausgaben für beispielsweise die private Wohnung geleistet hatte, wurde im Stich gelassen. Sogar das Rückmeldeverfahren, das im Sommer gestartet wurde um den nicht benötigten Teil der Soforthilfe zurück zu zahlen, wurde nach kurzer Zeit wieder gestoppt, da zahlreiche Beschwerden eingegangen sind. Zwar wurde zumindest teilweise zurückgerudert und mitgeteilt, dass über die Soforthilfe nun immerhin Personalkosten abgerechnet werden dürfen – wie genau das bei Soloselbstständigen aussieht weiß aber bis heute niemand im Detail.
Mein Glück war es, dass ich zu Beginn des Lockdowns im März nicht nur auf bessere Zeiten hoffte, sondern auch versuchte mich beruflich weiterzubilden. Die deutlich erhöhte Nachfrage nach Livestreams war schnell erkenn- und nachvollziehbar, weshalb ich mich ausführlicher mit dem Thema auseinandersetzte und tatsächlich einige Jobs generieren konnte, bis der filmische Alltag wieder eingekehrt war. In meinem Fall hatte ich coronabedingt rund sechs Wochen einen deutlichen Auftragsrückgang, ab Mai stabilisierte sich allerdings die Lage bei meinen Kunden, weshalb ich recht schnell wieder in den gewohnten Arbeitsrhythmus zurückkehrte.
Das war allerdings bei weitem nicht bei allen Kollegen der Fall. Bis heute höre ich von anderen Produktionsfirmen und Soloselbstständigen, die seit Beginn der Pandemie nicht wieder richtig Fuß fassen konnten. Wer im Eventbereich arbeitet hat nach wie vor schlechte Karten – das sollte inzwischen jedem klar sein. Hier zeigt sich, dass es sich auch im Medienbereich lohnt auf ein zweites Standbein zu setzen bzw. sich nicht zu sehr auf einen kleinen Bereich festzulegen. Auch als Kameramann habe ich meine Lieblingsprojekte und Areale, in denen ich besonders erfahren bin und die ich bevorzugt annehme – trotzdem halte ich mir die Möglichkeit gerne offen auch andere Bereiche abzudecken, in denen ich ebenfalls gute Ergebnisse erziele. Dazu muss ich aber auch die Kollegen erwähnen, die durch Corona wirtschaftlich deutlich profitiert haben. Das sind vor allem jene Kollegen, die sich bereits vorher mit dem Thema Livestream auseinandergesetzt haben und nun gefühlt im Dauereinsatz sind.
Es war schnell abzusehen, dass Produktionen zwar wieder anlaufen können und dürfen, hier aber nun auch immer mit einem Hygienekonzept gearbeitet werden muss. Fühlte es sich zu Beginn noch seltsam an einen Mund-Nasen-Schutz zu tragen, so gehört das Stück Stoff inzwischen ganz normal zu jedem Dreh dazu. Während anfangs noch ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass man doch bitte eine Maske mitbringen möge, so ist es inzwischen selbstverständlich, dass bei jeglichen Dreharbeiten von sich aus daran gedacht wird – wobei meist auch über die Produktionsleitung einige mitgebracht werden. Wer sich darüber ärgert eine Maske für wenige Minuten im Supermarkt zu tragen, sollte im Hinterkopf behalten, dass es noch weniger ein Vergnügen ist eine solche bei einem zehnstündigen Drehtag im Hochsommer in einer kleinen Wohnung zu tragen. Ganz zu schweigen von Ärzten, für die es sowieso Alltag ist und war. Nach wie vor ist jeder Dreh eine Teamarbeit und häufig lässt es sich auch nicht gänzlich vermeiden sich am Set nahe zu kommen – sei es um gemeinsam Technik aufzubauen oder bei Anfahrten zu Drehorten. Interessant empfinde ich hierbei, wie unterschiedlich verschiedene Firmen mit dem Thema Corona-Maßnahmen umgehen. Fakt ist, dass bisher sämtliche Auftraggeber sehr umsorgt waren, dass bei Dreharbeiten so stark wie möglich auf Hygiene-Maßnahmen geachtet wurde und ich bisher auch keine Produktion miterlebt habe, bei der sich ein Teammitglied angesteckt hat.
Neben des Mund-Nasen-Schutz ist das Desinfektionsmittel ungeschlagener Klassiker am Set und wird meist flaschenweise verteilt und auch gerne benutzt. Abstände sind wie bereits erwähnt eher schwieriger einzuhalten, wobei trotzdem bestmöglich darauf geachtet wird. Was mir in den letzten Wochen vermehrt aufgefallen ist, ist das vor allem in den Bereichen Politik und Unternehmenskommunikation erst auf Abstände etc. geachtet wird, wenn die Kameras laufen. Hinter den Kulissen wird sich durchaus mit Handschlag begrüßt und es findet Gruppenbildung statt. Gefühlt scheint es hier manchen eher wichtig zu sein, dabei gesehen zu werden wie Maßnahmen durchgeführt werden.
Neben sehr guten Hygienekonzepten konnte ich bisher auch einigen Produktionen beiwohnen, bei denen ich manche Vorgaben doch eher als fraglich empfunden habe. Ob es beispielsweise sinnvoll ist zu zweit in einem Auto über mehrere Stunden hinweg eine Maske zu tragen halte ich doch für eher unsinnig – bei der Dauer dürfte das Risiko einer Ansteckung kaum vermindert werden. Ebenfalls sorgt es für Stirnrunzeln bei mir, wenn am Set penibel genau auf Abstand und Maskenpflicht geachtet wird, beim späteren Abendessen jedoch die 15-Mann starke Truppe dicht gedrängt an einem Tisch sitzt. Zunehmend problematisch wird aktuell auch das Thema Lüften, wenn beim Kunden für längere Zeit im gleichen Raum gedreht wird. Vor allem im Winter dürfte hier so manch einer zwar nicht mit Corona, dafür aber mit einer ordentlichen Erkältung nach Hause kommen – die wiederum dafür sorgt, dass Jobs abgesagt werden müssen. War es bis Anfang des Jahres noch recht üblich mit einer leichten Erkältung arbeiten zu gehen, ist es derzeit nachvollziehbarerweise sinnvoll wirklich das Bett zu hüten. Ich durfte zumindest in den vergangenen Monaten bei einigen Produktionen eine mehrseitige Erklärung unterschreiben, dass ich keine Krankheitsanzeichen habe und hätte demnach, wäre ich mit einer Erkältung zur Arbeit gegangen, Vertragsbruch begangen. Außerdem möchte man selbstverständlich keine anderen Kollegen anstecken, sei es nun wirklich mit Corona oder doch nur mit einer harmlosen Erkältung – in jedem Fall wird die Person dann nirgendwo mehr gerne gesehen.
Spannend bleibt es nun zu beobachten, wie in den kommenden Wochen mit der zweiten Welle umgegangen wird. Ich glaube nicht an einen weiteren nationalen Lockdown, verschiedene lokale erscheinen eher wahrscheinlich. Abgesehen davon, dass viele Firmen einen weiteren Lockdown nicht überstehen würden, bin ich mir auch recht sicher, dass neben der Politik auch die Firmen selbst viel dazu gelernt haben und zu großen Teilen sehr aufmerksam und bewusst mit der Pandemie umgehen - so zumindest mein Eindruck.