Das Schöne an privaten Projekten ist ja, dass es keine Kunden, keine Produktionsfirma und generell niemanden gibt, der mir vorschreibt, wie ich damit umzugehen habe. Ich selbst bin dafür verantwortlich, wann das Projekt abgeschlossen ist und was ich bis dahin teile oder eben auch nicht teile. Nachdem ich den ersten Teil von 2019 größtenteils mit Kundenprojekten verbracht habe, steht in wenigen Wochen wieder ein eigenes Projekt an, das ich wie schon 2018 mit meinem Urlaub verbinde. Bereits seit mehreren Jahren plane ich gedanklich diesen Trip und spätestens Ende letzten Jahres habe ich den Entschluss gefasst es endlich umzusetzen. Nachdem ich jahrelang alle Dokus und Videos zu dem Thema hoch interessiert verfolgt habe, geht es für mich Anfang September in die Ukraine, um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl sowie die Sperrzone drumherum zu erkunden. Innerhalb dieses ersten Blogeintrags möchte ich über die Vorbereitungen schreiben und dabei natürlich auch auf den filmischen Teil eingehen. Denn neben der Einordnung als Abenteuerurlaub möchte ich meine Zeit in der Ukraine auch wieder digital festhalten. Meine Gedankengänge, weshalb ich mich für welche Technik entschieden habe, fasse ich im Folgenden zusammen. Nicht zuletzt spielen natürlich auch mögliche Gefahren eine Rolle, denen ich unter Umständen in der Sperrzone begegnen werde.
Tschernobyl? Du bist doch verrückt!
Doch von Anfang an: Wie kam ich überhaupt auf die Idee, diese doch eher ungewöhnliche Reise nach Osteuropa anzutreten? Wer mich kennt, weiß, dass ich als Kind ein begeisterter Gamer war und vor allem atmosphärische Titel geradezu aufgesogen habe. Gänzlich verloren habe ich diese Leidenschaft zwar nicht, doch die damalige Euphorie kann ich heute nicht mehr ganz reproduzieren. Vor allem der Open-World Ego-Shooter S.T.A.L.K.E.R. hatte es mir damals ganz besonders angetan, in dem wir als Einzelkämpfer die Sperrzone erkunden, mutierte Wildschweine bekämpfen, finstere Gewölbe erkunden und uns Stück für Stück Richtung Norden zum Reaktorblock Nummer 4 vorkämpfen. Natürlich hat Entwickler GSC Gameworld damals viele Inhalte dazugesponnen, um das Spiel interessanter zu machen. Doch einige Gebiete, wie etwa der rote Wald oder die verlassene Arbeiterstadt Pripyat, sind real existierende Orte. Schon damals fand ich die gesamte Geschichte rund um das Reaktorunglück von 1986 wahnsinnig interessant. Auch für die Medien war Tschernobyl immer ein interessantes Thema, zuletzt durch den Bau des neuen Sarkophags, sodass ich mich immer wieder aufs Neue mit diesem Ort und seiner Geschichte auseinandergesetzt habe.
Spätestens nach meiner China-Reise im vergangenen Jahr war für mich klar, dass mich die Reiselust gepackt hatte und ich vor allem ungewöhnliche Orte erkunden möchte. Zwei Wochen Strandurlaub sind für mich undenkbar – ich brauche scheinbar auch immer ein wenig Abenteuer. Und da schmiedete ich bereits Ende 2018 den festen Entschluss, im kommenden Jahr in die Ukraine zu reisen. Tatsächlich ist es inzwischen gar nicht mehr schwer, die Zone zu besuchen. Unzählige Anbieter bieten Erkundungstouren ab Kiew an. Dabei handelt es sich meist um Gruppentouren mit einem Guide. Für mich war allerdings sehr früh klar, dass eine Gruppentour für mich nicht in Frage kommt. Um die besondere Atmosphäre dieses Orts aufzunehmen musste es zwingend eine private Tour mit möglichst wenigen Personen sein. Ganz alleine wollte ich allerdings auch nicht nach Tschernobyl reisen – spätestens in China hatte ich gelernt, dass es zwar großartig ist besondere Orte und Momente zu erleben, es aber viel angenehmer ist, diese intensiven Augenblicke auch direkt vor Ort teilen zu können – und zwar nicht nur über Instagram. Tatsächlich war es eine Herausforderung begeisterte Kollegen und Freunde zu finden, die diesen Trip mit mir machen wollten. Während die einen mich für verrückt erklärten (die Mehrheit), mangelte es bei anderen oft an Geld, Zeit oder generell Lust. Nach viel hin und her freute ich mich deshalb besonders, dass ein guter Kollege mich auf diesem Trip begleiten wird (Grüße gehen raus!).
Parallel zu unseren Planungen machte uns die enorm erfolgreiche HBO-Miniserie Tschernobyl einen kleinen Strich durch die Rechnung, die während unserer Planungsphase mit ihrer Ausstrahlung auf Sky begann. War die Anzahl der Tschernobyl-Besucher bis dato noch übersichtlich, vergrößerte sich der Tourismus innerhalb weniger Wochen massiv. Obwohl auch ich die Serie mit Begeisterung schaute, war diese natürlich nicht der ausschlaggebende Punkt, weshalb ich mich für die Reise entschied. Es war trotzdem ein verrückter Zufall, dass unser Buchungsdatum fast auf den Tag genau mit der Veröffentlichung des Staffelfinales übereinstimmte. Letztlich entschieden wir uns bei dem Anbieter Tschernobyl Welcome für eine dreitägige Privattour ab der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Der Hauptgrund, weshalb wir uns für diesen Anbieter entschieden haben, war vor allem die Möglichkeit gegen Aufpreis das verlassene Atomkraftwerk (nicht Reaktorblock Nummer 4) von innen zu sehen und hier an einer Führung teilzunehmen. Gänsehaut garantiert.
Kein Video ist halt auch keine Option
Zwar handelt es sich bei unserem Ukraine-Trip auch um Urlaub, nichtsdestotrotz planten wir von Anfang an ein handwerklich ordentliches Video über den Trip zu drehen. Während ich in China und Tibet vollkommen planlos mit meiner Canon EOS 5D Mark II mit dem Firmware-Hack Magic Lantern in raw gedreht hatte, überlegte ich nun, wie ich die Messelatte zumindest technisch noch erhöhen konnte. Nach zahlreichen Überlegungen in Richtung Sony A7S Mark II und Panasonic GH5s entschied ich mich Canon treu zu bleiben und auf die EOS 5D Mark III upzudaten. Hauptgrund war vor allem, dass ich mir auch weiterhin die Möglichkeit offen lassen wollte, professionelle Bilder zu schießen. Zudem habe ich Magic Lantern während meines Asientrips sehr zu schätzen gelernt und wollte gerne die neuen Möglichkeiten, die die 5D Mark III mit sich bringt, in Bezug auf den Firmware-Hack testen. Nicht zuletzt ist das Preis-Leistungsverhältnis, auch weil die Kamera schon sieben Jahre auf dem Buckel hat, mit knapp über 1000 Euro gebraucht unschlagbar. Meine Hauptkamera Sony FS5 schied von Beginn an aus, da ich nur kleines Besteck mitnehmen und vor allem auch Fotos schießen möchte.
Das Besondere an der Mark III ist zudem, dass Magic Lantern hier noch einmal deutlich mehr Performance zur Verfügung hat, als noch bei der Mark II. Mittlerweile ist es sogar möglich in Auflösungen in raw aufzuzeichnen, die ungefähr Ultra HD entsprechen. Leider ist hier mit einigen anderen Einbußen zu rechnen. So ist das Vorschaubild nur noch ein grauer, ruckelnder Schleier, der das Motiv vor der Kamera kaum noch erkennen lässt. Zudem sind die Datenraten ordentlich hoch. Während meiner Tests mit der Kamera entschied ich mich auf besonders hohe Auflösungen zu verzichten und mich stattdessen mit Full HD zufrieden zu geben. Hier erhalte ich ein sauberes Vorschaubild auf dem Display. Die höheren Auflösungen sind vor allem dann interessant, wenn Zeit mitgebracht wird und stehende Motive, wie Architektur, aufgezeichnet werden soll. Da die Tschernobyl-Tour mit vielen verschiedenen Motiven daherkommt und stellenweise auch wenig Zeit vorhanden sein wird, entschied ich mich gegen die Auflösung und für die Schnelligkeit. Um auch für Atmo-Töne und den einen oder anderen ukrainischen Sprachfetzen gewappnet zu sein, kaufte ich zudem noch das Rode Videomic Pro, das ich direkt auf den Blitzschuh der 5D Mark III aufstecken kann. Entschieden habe ich mich für das Mikrofon, da es neben einem ordentlichen Klang eine sehr angenehme Größe besitzt und vor allem beim Fotografieren nicht den Sucher blockiert, wie es viele andere Aufsteckmikrofone machen. Weiterhin setze ich auch in diesem Jahr wieder auf die drei ND-Filter von Haida mit den Stärken 0.6, 0.9 und 1.8. Zwar haben mich diese in China nur mässig überzeugt und recht starke Vignetten geworfen, doch zumindest für diese Reise müssen sie noch herhalten, bevor ich mir für das nächste Projekt einen vernünftigen Vari-ND zulegen werde. Zudem konnte ich die Vignetten während des Gradings in DaVinci recht gut entfernen.
Ein großes Plus im Vergleich zum China-Trip wird sein, dass ich nicht alleine unterwegs bin und somit sogar noch eine zweite Kamera vorhanden sein wird. Dabei handelt es sich um eine Sony A6300 auf einem Einhand-Gimbal, die Slog3 aufzeichnet. Da ich mit der 5D Mark III in raw aufzeichne, mache ich mir zunächst keine größeren Sorgen um das Color-Matching. Durch den Einhand-Gimbal werden wir eine spannende neue Bildästhetik erhalten, immerhin zeichnen wir neben meinen wackligen und aus der Hand geschossenen 5D-Aufnahmen nun auch smoothe und ruckelfreie Clips, die vor allem bei Totalen, beispielsweise durch die Straßen von Pripyat, interessant werden könnten.
Über Radioaktivität, Sievert und Astronauten
Wer bis hierhin gelesen und sich in näherer Vergangenheit noch nicht ausführlicher mit dem Thema Tschernobyl auseinandergesetzt hat, der wird mit Sicherheit ein wenig Bedenken haben, wenn er an Dinge wie Verstrahlung und Radioaktivität innerhalb der Sperrzone denkt. Bevor ich die Reise gebucht habe, habe ich mich ausführlich mit dem Thema Radioaktivität auseinandergesetzt - so sehr es für einen Laien nun einmal möglich ist. Tatsächlich hat die Strahlung rund um den Reaktorblock Nummer 4 seit dem Unfall 1986 rapide abgenommen und ein großer Teil der Zone ist nur mäßig stärker verstrahlt als unser gewohntes Umfeld. Radioaktivität wird in der Einheit Sievert angegeben. Da diese Einheit bereits sehr hoch ist, wird in der Regel zwischen Micro- und Millisievert unterschieden. Zudem wird abgegrenzt, ob dieser Wert in einer Stunde, an einem Tag oder in einem Jahr aufgenommen wird. So gibt das Bundesamt für Strahlenschutz (BFS) an, dass jeder Deutsche im Schnitt jährlich 2,1 Millisievert aufnimmt – das sind etwa 5,7 Microsievert pro Tage oder 0,24 Microsievert pro Stunde.
Zum Vergleich: Bei dem Langstreckenflug Frankfurt-New York nimmt jeder Fluggast etwa 50 Microsievert auf. Astronauten auf der ISS kommen aufgrund der kosmischen Strahlung sogar auf etwa 33,3 Microsievert pro Stunde (übrigens ein reales Problem, falls der Mensch eines Tages tatsächlich die Erde verlassen sollte). In verschiedenen Erfahrungsberichten und Videos ist dank Geigerzähler zu erkennen, dass die Strahlungswerte in und um Tschernobyl variieren und nur in sogenannten Hot Spots mehr als 10 Millisievert pro Stunde betragen. So nehmen etwa bestimmte Pflanzenarten Strahlung auf – außerdem sind erhöhte Werte vor allem an Gegenständen zu finden, die sich in unmittelbarer Nähe zum GAU befanden, wie etwa Fahrzeuge oder der berüchtigte Krankenhauskeller, in dem die stark verstrahlte Kleidung der Feuerwehrleute gelagert wurde, die auch heute noch immer dort zu finden ist.
Wer also mit Guide und Geigerzähler die Zone erkundet und ein wenig aufmerksam ist, der nimmt während des Tschernobyl-Trips meist nicht mehr Strahlung auf, als auf dem Hinflug. Aufpassen sollte man jedoch, dass kein radioaktiver Staub eingeatmet wird – das Tragen eines einfachen Mundschutzes ist also sinnvoll. Zudem dürfen Besucher das Gebiet nur in geschlossener Kleidung betreten – kurze Hose und Sandalen sind also besser zu vermeiden. Nicht wenige raten auch dazu möglichst alte Kleidung mitzunehmen und diese nach dem Besuch direkt zu entsorgen. Zudem sollten Kamerastative nach Möglichkeit nicht den Boden innerhalb der Sperrzone berühren, damit diese keine radioaktiven Partikel aufnehmen. Für Abhilfe kann schon ein wenig Tape sorgen, das einfach unter die Beine geklebt und später weggeschmissen wird.
Soviel zu meinen bisherigen Gedankengängen. In wenigen Wochen startet der Flieger in Richtung Kiew und ich erwarte mit einer prall gefüllten Festplatte den Rückflug anzutreten. Das Ergebnis dieser doch eher ungewöhnlichen Reise wird natürlich, mit zahlreichen Hintergrund-Details zum Dreh sowie zu dem Trip selbst, in einem weiteren Blog-Eintrag zu finden sein. Wer solange nicht warten kann oder möchte, der sollte ab dem 2. September einen genaueren Blick auf meinen Instagram-Account werfen - dort nehme ich alle Interessenten auf die Reise mit!