Ein großes Ziel in meiner Studienzeit war es zumindest ein Praktikum an einem großen Set zu absolvieren. Zwar haben meine Kommilitonen und ich immer viele Studentenprojekte gedreht, doch meist handelte es sich um kleinere Produktionen. Als ich schließlich einen Großteil des Studiums hinter mir hatte und ich mich mit großen Schritten auf die Bachelorarbeit zubewegte, sah ich genügend freie Zeit, um das große Abenteuer zu wagen. Ich bewarb mich als Kamerapraktikant bei der RTL-Serie Der Lehrer – und erhielt zunächst eine Absage. Schade, immerhin schaute ich die Serie damals selbst und hätte es super spannend gefunden mein Praktikum bei einer mir bekannten Serie zu absolvieren.
Ich erinnere mich an einen freiberuflichen Job, den ich einige Tage darauf hatte. Mittendrin erhielt ich einen Anruf und mir wurde spontan angeboten als Setrunner-Praktikant bei einem Drehblock von Der Lehrer einzuspringen. Beginnen sollte der Spaß schon wenige Tage später. Zwar war ich eigentlich auf einen Job als Kamerapraktikant aus, doch die Chance wollte ich mir trotzdem nicht entgehen lassen und ich sagte direkt zu. Ein Drehblock mit 25 Drehtagen stand an. „Das geht schnell rum“, dachte ich mir, „sind ja nur ein paar Wochen“. Es wurden die 25 härtesten Tage meines Lebens bis dahin, physisch wie auch psychisch.
Ich wusste gar nicht genau, was eigentlich auf mich zukommt. Setrunner waren für mich bis dato immer die Leute am Set, die überall mithelfen wo sie gerade gebraucht werden. Dass sie zu der Abteilung der Aufnahmeleitung gehörten, wusste ich noch nicht. Insgesamt freute ich mich auf die Tage und bereits kurz vorher rief mich mein Vorgesetzter an, der Set-Aufnahmeleiter. Mit ihm und dem Rest der Abteilung traf ich mich am Tag vor Drehstart und ich erinnere mich noch an die Worte: „Du wirst nicht viel Freizeit haben“. 

Unser erstes Motiv damals bei meinem Der Lehrer-Praktikum.

Etwas Ernüchterung machte sich dann tatsächlich breit, als ich die erste Dispo am Abend erhielt. Die Aufnahmeleitung fängt morgens in der Regel als erste Abteilung am Set an und verlässt dieses häufig auch als letzte. 7.30 Uhr erschien mir als damaliger Student doch recht früh und so erstellte ich schnell eine neue Weckzeit in der Wecker-App und versuchte vor dem großen Tag noch ein wenig Schlaf zu bekommen. 
Am nächsten Morgen kam ich, selbstredend überpünktlich, an der disponierten Base an und ich stand erst einmal mit der Motiv-Aufnahmeleitung alleine da. Doch schnell stießen meine Kollegen dazu. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch gar keine Ahnung, welche Aufgaben mich genau erwarteten. Schnell wurde mir eine Funke samt Ohrstöpsel überreicht und ab diesem Zeitpunkt war ich für alle am Set auf Knopfdruck erreichbar. Die ersten Aufgaben waren schnell erklärt. Gemeinsam mit meinen Kollegen musste ich verschiedene Trolleys aus dem Set-AL-Sprinter räumen und direkt neben dem Motiv, also dem Ort wo wir drehen, einen Catering-Tisch aufbauen und diesen in Absprache mit dem Catering-Service bestücken. Außerdem musste ich auch immer Kabelmatten bereithalten, falls diese benötigt wurden.
Schließlich kamen die Schauspieler dazu und verschwanden schnell im Motiv. Für mich war es damals sehr spannend die Leute zu sehen, die man sonst nur aus ihren Rollen im Fernsehen kennt.
Über Funk hörte ich nebenbei verschiedenste Durchsagen und erst nach einer Weile wurde mir bewusst, dass wir schon drehten. Während wir noch unsere Aufgaben erfüllten wurde parallel bereits die Technik gebaut und geprobt. Wie ein gut gewartetes Uhrwerk übernahm jeder seine Aufgabe, damit das große Ganze funktionierte. „Schon faszinierend“, dachte ich. Eigentlich wollte ich furchtbar gerne bei den eigentlichen Dreharbeiten dabei sein, doch mein Vorgesetzter hatte andere Pläne mit mir und ich durfte einen Großteil des Tages die Haustüre bewachen und alle Durchsagen laut wiederholen. Mein Wortschatz bestand in erster Linie aus Wörtern wie „Achtung, wir drehen!“, „Aus!“ und „Bild ist durch!“
Schließlich durfte ich doch endlich in das mit Molton abgehangene Haus hinein und erste Set-Luft schnuppern. In der Ecke sah ich schnell die Arri Alexa Plus, auf der damals gedreht wurde. Doch mir fehlte der komplette Überblick und es war in den ersten Tagen sehr schwierig zu erkennen, wer eigentlich was genau macht. Mindestens genauso schwer war es anfangs herauszufinden, was ich genau machen sollte. Da rief mich aber auch schon der Set-Aufnahmeleiter zu sich und gab mir eine Sonderaufgabe. Ich durfte in den angrenzenden Laden laufen, in dem gerade gebohrt wurde, und die Bauarbeiter freundlich darum bitten nur in den Drehpausen zu werkeln. Die Begeisterung, die diese Bitte bei den Bauarbeitern auslöste, lässt sich vermutlich erahnen. Trotzdem schaffe ich es für Ruhe zu sorgen und meine Funkanweisungen direkt weiter zu geben. 
Rund elf Stunden nach Arbeitsbeginn verkündete die Aufnahmeleitung den ersehnten Drehschluss. Doch Drehschluss bedeutet nicht Arbeitsende, wie ich dann schnell herausfand. Da Motive immer sauber hinterlassen werden sollen, musste die Aufnahmeleitung noch ein wenig sauber machen. Ich bekam die ehrenvolle Aufgabe Zigarettenstümmel, die vor dem Hauseingang von achtlosen Beleuchtern zurückgelassen worden, händisch aufzusammeln. In dem Moment fragte ich mich dann doch kurz, ob sich Abitur und Studium wirklich gelohnt haben. Ähnliche Gedanken gingen mir in diesen Wochen häufiger durch den Kopf.

Vor drei Jahren wurde Der Lehrer, und wird meines Wissens nach bis heute, auf einer Arri Alexa Plus gedreht. Damals mein erster Kontakt mit der Kamera.

Nach dem ersten Drehtag war ich ordentlich kaputt und revidierte meine Aussage, dass die paar Wochen sicher schnell vorbeigehen würden – vor allem bei mehreren Wochen mit geplanten sechs Arbeitstagen. Müde fuhr ich also nach Hause. Meine Ankunftszeit lag meist bei etwa 20.30 Uhr – das Haus verlassen habe ich im Schnitt gegen 06:00 Uhr. Wie viel Freizeit da blieb lässt sich leicht errechnen, vor allem lernt man jede Minute Schlaf ganz neu zu schätzen…
Der zweite Drehtag unterschied sich nicht stark vom ersten, doch ab dem dritten Drehtag lernte ich unser Hauptmotiv kennen – die Schule, in der Der Lehrer hauptsächlich spielt. Hier erhielt ich eine weitere tolle Aufgabe: Ich durfte das rund 30kg schwere Standrohr, quasi ein Hydrant, jeden Morgen einige Straßen weiter aufstellen und anschließend mit dem Catering verbinden. Es war November/Dezember sei dazu gesagt. Während einige hundert Meter weiter gedreht wurde durfte ich also jeden Morgen 30 Minuten mit diesem Spaß verbringen. Doch was tut man nicht alles für das Catering.
Das meine ich durchaus ernst, denn das Catering war wirklich herausragend. Jeden Morgen gab es eine große Auswahl, darunter alle Sorten Brot, Eier und Bacon. Auch das Mittagessen war immer ein Highlight des Tages und es konnte aus verschiedenen Gerichten gewählt werden. Leider kam mir doch oft genug meine Tätigkeit als Setrunner dazwischen, denn häufig mussten Mittags Motive und Technik vor flinken Fingern bewacht werden. So wechselte ich mich Mittags häufig mit meinen Kollegen ab und verbrachte meine halbe Mittagspause als Bewacher – was im Nachhinein arbeitsrechtlich sicher nicht in Ordnung war…
So lief die Arbeit die Tage und Wochen darauf weiter und es stellte sich tatsächlich so etwas wie Routine ein. Die Arbeit forderte mich ganz schön, bis heute habe ich laut Apples Health-App einen Peak in Bezug auf gelaufene Kilometer in diesem Zeitraum. Doch nicht nur physisch war die Produktion für mich eine Herausforderung, auch psychisch musste ich einige Mal ganz schön schlucken. Ich erinnere mich an einen Tag, an dem wir eine Autoszene auf einer Straße gedreht haben. Auf Ansage habe ich unseren Catering-Tisch neben einen Laden gestellt und nachdem die Szene abgedreht war sollte ich den Tisch abbauen und auf einen Fahrer warten, der mich einsammeln sollte. Während ich den Tisch auseinander nahm kam laut schreiend die Ladenbesitzerin auf mich zu und drohte mir lauthals mit der Polizei, wenn nicht sofort der gesamten Tisch, der zu diesem Zeitpunkt noch aufgebaut war, von ihrer Hauswand verschwinden würde. Schade, dass es in solchen Momenten dann den armen Praktikanten trifft. Ein Kameramann hat einige Jahre später bei einer ähnlichen Situation passend erwidert: „Aber heute Abend auf der Couch sitzen und Netflix schauen, oder wie?“  
Ein anderes Mal waren sowohl Set-Aufnahmeleiter als auch sein Assistent krank. Zwar wurde auf die Schnelle ein Ersatz für den Aufnahmeleiter gefunden, den Assistenzposten musste ich an dem Tag jedoch übernehmen. Das erfuhr ich auch erst vor Ort am Set. Die Assistenz der Set-Aufnahmeleitung befindet sich den ganzen Tag an der Base, wo Schauspieler eingekleidet werden und das Catering zubereitet wird. Seine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass alle Schauspieler nach Zeitplan am Set sind, das Mittagessen pünktlich bereit steht und außerdem ist er die Verbindung zwischen Set-Team und Büro-Team. Er ist am weitesten vom Set entfernt und damit eigentlich genau die Position, die mich überhaupt nicht interessiert hat. Für mich war der Tag Stress pur, da ich keinerlei Einweisung erhalten habe und wir an dem Tag in drei verschiedenen Motiven gedreht haben. Also musste auch die Base mehrmals auf- und abgebaut und viel koordiniert werden. Außerdem war ich für das Set-Handy verantwortlich, wo die verschiedensten Anrufe eingehen. So rief mich unter anderem das Ordnungsamt an und teilte mir mit, dass ein Produktionswagen an einer falschen Stelle stand. Am Ende des Tages war ich der letzte, selbst der Ersatz-Aufnahmeleiter hatte mich alleine gelassen, und ich musste mich noch im Dunkeln darum kümmern, dass der Bus, der als Team-Aufenthalt an der Base stand, abgeholt wurde. Zu dem Zeitpunkt war ich Praktikant in der dritten Woche. 

Set-Wache, während der Rest des Teams Mittagspause macht.

In stressigen Situationen wurde der Ton schnell etwas lauter und fordernder und selbst wenn ich selbst nie bei der Bundeswehr gewesen bin, erinnerten mich einige Ansagen wie Befehle in entsprechenden Dokus. Meist kamen die Ansagen genuschelt über Funk und wenn die Aufgabe nicht schnell genug erledigt war wurde schnell barsch nachgefragt. Auch an die strenge Hierarchie musste ich mich erst gewöhnen. Der Vorgesetze ist der Chef und seinen Ansagen ist Folge zu leisten – Widersprochen wurde nicht. Leider war die Stimmung in meiner Abteilung generell nicht sonderlich gut – meine Vorgesetzten motzten morgens im Auto schon, dass sie keinen Bock auf den Tag hätten und das übertrug sich natürlich auch auf mich. Zumindest war mir nach sehr wenigen Tagen schon klar, dass ich meine Zukunft keineswegs in der Aufnahmeleitung sehe. Wie schon im Studium festgestellt interessierte ich mich viel eher für die Kameraleute und deren Assistenten. Immer, wenn die Zeit es zuließ, schaute ich dem 1. Kameraassistenten über die Schulter und ließ mir die Kamera erklären. Auf den Kamerapraktikanten war ich tatsächlich etwas neidisch.
So wenig ich meine eigentliche Arbeit als Setrunner mochte, das eigentliche Set-Geschehen fand ich sehr spannend, vor allem als ich die Abläufe verstanden hatte. Ich fand es beeindruckend, wie schnell und effektiv gedreht wurde. Jeder Handgriff saß und so konnten wir im Schnitt sieben bis acht Minuten Fernsehunterhaltung pro Tag produzieren. Gefallen hat es mir auch verschiedene Schauspieler, die ich aus den verschiedensten Filmen kannte, persönlich zu treffen und mit ihnen zu arbeiten – und sei es ihnen nur einen Kaffee zu bringen.
Nach einigen langen Wochen, harten winterlichen Nachtdrehs und viel zu wenig Schlaf rückte schließlich die letzte Woche an und schließlich fiel die letzte Klappe. Es war ein schöner Tag. Mein Set-Aufnahmeleiter nahm mich mit zur Bahn und lud mich noch spontan auf ein Bierchen bei sich ein, was ein sehr angenehmer Abschluss war. Dankbar war ich auch für sein sehr positives Feedback. Außerdem empfahl er mich bei dem Produktionsleiter für ein Kamerapraktikum, das ich im Jahr darauf tatsächlich erhalten habe.
Seit dem Praktikum sind beinahe drei Jahre vergangen, doch diese intensive Zeit hat natürlich ihre Spuren hinterlassen. Wie ich finde allerdings nur gute. Als Setrunner hat man hierarchisch die niedrigste Position am Set inne. Meiner Meinung nach ist es gar nicht so schlecht trotz Studium zumindest ein paar Wochen Erfahrung als Setrunner zu sammeln und zu verstehen, was hinter den Kulissen eines großen Sets passiert und wie es ist, eher unschöne Aufgaben zu übernehmen. Ich habe großen Respekt vor allen, die regelmäßig als Setrunner arbeiten – ich selbst könnte mir diese Position nicht noch einmal vorstellen und habe in der Zeit nach dem Praktikum auch strikt abgelehnt nochmals als Setrunner zu arbeiten. Es ist ein sehr harter Job, die Bezahlung orientiert sich am Mindestlohn und mir persönlich fehlten die Anerkennung sowie der direkte Bezug zum Filmemachen. Zwar ist die Aufnahmeleitung enorm wichtig und fällt als erste Abteilung auf, wenn sie nicht da ist, doch unter „beim Film arbeiten“ stellte ich mir etwas anderes vor.
Natürlich spiegelt dieser Bericht nur meine persönlichen Erfahrungen wieder. Bei späteren Produktionen habe ich Setrunner erlebt, die ihren Job deutlich lieber gemacht haben, als ich es tat. Vor allem bei festen Motiven und im Sommer ist das Setrunner-Dasein mit Sicherheit angenehmer.
Mein Praktikum als Kamerapraktikant im Folgejahr hat mir jedenfalls um Welten besser gefallen. Aber das ist eine andere Geschichte…
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