Vor einigen Tagen hat mich ein Kollege, der zurzeit einen mehrtägigen Dreh plant, gefragt, welche Gage er für einen zweiten Kameraassistenten einkalkulieren müsse. Daraufhin habe ich ihm einige Zahlen genannt mit dem Zusatz, dass das gar nicht so einfach zu sagen sei und ich mit meinen bisherigen Erfahrungen über das Thema durchaus ein kurzes Buch füllen könne. Gesagt, getan.
Tatsächlich habe ich den Tagen danach darüber nachgedacht, mit wie vielen unterschiedlichen Zahlen ich in meiner ja doch noch recht jungen Laufbahn konfrontiert worden bin und wie schwierig es für mich noch vor wenigen Jahren gewesen ist, einen angemessenen Tagessatz abzuschätzen. Deshalb möchte ich in diesem Eintrag ein wenig über meine Erfahrungen berichten und vor allem Einsteigern helfen, damit diese sich im Markt positionieren können, ohne ihre Kollegen zu unterbieten. Zwar bin ich noch recht jung, jedoch konnte ich in den vergangenen drei Jahren sehr viele verschiedene Formate ausprobieren, um herauszufinden, was mir besonders liegt. So durfte ich inzwischen sowohl bei Kino- und Fernsehfilmproduktionen, als auch in den Bereichen Serie, Werbung, Imagefilm und Eventfilm Erfahrung sammeln.
Besonders bei Imagefilm-Produktionen im sehr kleinen Team wird häufig nicht zwischen dem 1. und dem 2. Kameraassistenten unterschieden, da hier das Drehteam nur aus drei bis vier Personen besteht. Stattdessen gibt es dann einen allgemeinen Kameraassistenten (der sich, ähnlich wie bei einem EB-Dreh, oft auch noch für den Ton verantwortlich zeigt). Deshalb komme ich ab und an auch auf den allgemeinen Kameraassistenten zu sprechen.
Doch noch eins vorweg: Als nicht-künstlerische Tätigkeit muss der (zweite) Kameraassistent, sowie alle anderen weisungsgebundenen Berufe am Set, IMMER festangestellt arbeiten. Das heißt, auch bei einem einzigen Drehtag muss eine Anstellung bei der Produktionsfirma erfolgen. Wie realistisch das vor allem bei kleineren Produktionen ist, kläre ich weiter unten.
Film und Fernsehen
„Warum sollte es schwierig sein, seinen Preis zu benennen?“, werden manche nun fragen, immerhin gibt es doch eine Gagentabelle für Film- und Fernsehschaffende, die unter anderem auf der Online-Präsenz vom Bundesverband Kinematografie (BVK) gefunden werden kann. Dort heißt es, dass die Mindestgage eines zweiten Kameraassistenten bei einer Arbeitswoche von 50 Stunden bei 1.025 Euro Brutto liegt. Der Mindesttagessatz liegt somit also bei 205 Euro/10h Brutto - auf Anstellung. Dabei wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich um die Mindestgage von Berufsanfängern handelt. Wer also schon mehr Erfahrung aufweisen kann, dürfe ruhig mehr für seine Arbeit verlangen. 
Soweit die Theorie. Meiner bisherigen Erfahrung nach sind diese Gagenangaben realistisch für gewöhnliche deutsche Serienproduktionen (wobei hier wenig Unterschied zwischen den Erfahrungsgraden gemacht wird). Beim Fernseh- und Kinofilm sind höhere Gagen üblich. Durch die Gagentabelle sind Film- und Fernsehproduktionen gagentechnisch recht gut geklärt. Natürlich gibt es hier und da Ausreißer, insgesamt sind die Produktionen, die ich bisher erlebt habe, jedoch meist sehr fair gewesen und haben mindestens die Sätze der Gagentabelle gezahlt. 

Der Ausschnitt der Gagentabelle für Film- und Fersehschaffende gibt einen Überblick, wie hoch die Mindestgage/Woche für Berufsanfänger in den verschiedenen Berufsgruppen angesetzt werden sollte. Quelle: BVK

Werbung & Imagefilm
Ab da wird es allerdings schwierig, denn wie viel verlange ich denn nun bei einer Werbeproduktion, wie viel hingegen bei einem kleinen Imagefilm im winzigen Team? Hier gilt die Gagentabelle nicht mehr. Und das ist zunächst gar nicht negativ, denn bei Werbeproduktionen sind deutlich höhere Sätze üblich. Als 2. Kameraassistent bei einer Werbeproduktion für einen großen Kunden kann die Mindestgage der Gagentabelle durchaus mit 1,5 bis 1,75 multipliziert werden, um auf einen üblichen Tagessatz zu kommen. Das ist auch gut so, immerhin ist die Anzahl der Drehtage bei Werbe- und Imagefilmproduktionen deutlich geringer als bei Film- und Fernsehproduktionen. Zudem wird in der Regel direkt für ein Unternehmen oder ein Produkt geworben – es geht also um viel Geld.
Und wenn ich auf Rechnung arbeiten möchte/muss?
Wie weiter oben bereits angedeutet, darf ich als 2. Kameraassistent bzw. allgemein als Kameraassistent nur auf Anstellung arbeiten. Meiner Erfahrung nach geschieht das jedoch nur bei großen Produktionen mit entsprechend großen Produktionsfirmen, die eigene Leute für Personal und Buchhaltung beschäftigen können. Bei kleineren Firmen, die dann häufig auch nur einen allgemeinen Kameraassistenten buchen und bei denen deutlich kleinere Projekte anstehen, wird fast immer auf Rechnung gearbeitet (häufig sprechen wir hier von Teamgrößen von drei bis vier Personen). Aber noch einmal, der Kameraassistent ist weisungsgebunden und darf eigentlich nicht auf Rechnung arbeiten, außer man ist selbst eine Firma mit der Gesellschaftsform GbR oder höher. Trotzdem ist es bei kleinen Produktionen weit verbreitet, dass die Produktionsfirma (die dann selbst häufig nur aus wenigen Angestellten besteht) gar nicht dazu in der Lage wäre, für jedes kleine Projekt ihre Assistenten tageweise festanzustellen. Böse Zungen mögen auch behaupten, dass sich so eine Menge Geld sparen lasse, da unwissende Neulinge den Unterschied zwischen der Festanstellung und der Arbeit auf Rechnung gar nicht richtig kennen. Dazu aber gleich noch mehr.
Ein Dilemma also. Leider kommt man gerade im Bereich Imagefilm oft nicht drumherum auf Rechnung zu arbeiten, weil man sonst schlicht den Auftrag nicht erhält. Hätte ich alle Anfragen, bei denen ich ausschließlich auf Rechnung arbeiten durfte, abgelehnt, so wären mir mit Sicherheit 70 bis 80 Prozent meiner Assistenz-Aufträge bei kleinen Produktionen durch die Lappen gegangen – weil ich mich an das Gesetz gehalten hätte. Hier sehe ich großen Verbesserungsbedarf vom Gesetzgeber, denn so kann das ja nicht ganz richtig sein. Häufig scheinen die kleinen Produktionsfirmen sogar gar nicht zu wissen, dass sie ihre Assistenten nicht auf Rechnung arbeiten lassen dürfen, wie ich schon häufiger erfahren habe, wenn ich meine Auftraggeber auf das Thema angesprochen habe.
Der Assistent als Rechnungssteller
Spätestens dann, wenn der Assistent von einer kleinen Produktionsfirma gefragt wird, wie hoch denn sein Tagessatz auf Rechnung sei, ist die Verwirrung oft komplett.  Vor allem viele junge Assistenten, die gerade erst im Beruf starten, kriegen häufig Zahlen mit enorm weiten von-bis-Spannen von Kollegen vorgesetzt. Warum dann nicht einfach an die Gagentabelle halten? Aus mindestens zwei Gründen ist das keine gute Idee:
1.    Die Zahlen gelten für festangestellte Arbeitsverhältnisse. Bei diesem übernimmt der Arbeitgeber die Hälfte der Sozialabgaben (Freiberufler müssen diese komplett selbst tragen). Außerdem haben angestellte Anspruch auf Urlaub und werden auch im Krankheitsfall bezahlt. 

2.    Film- und Fernsehproduktionen dauern meist mehrere Wochen oder gar Monate, wodurch das Gehalt vergleichsweise lange gesichert ist. Werbe- und Imagefilmproduktionen sind meist jedoch nur auf wenige Tage begrenzt und, einmal gebucht, müssen längere Anfragen vielleicht zu Gunsten der kurzen Produktion abgesagt werden. Außerdem sind die Werbebudgets generell höher.

Wer als Rechnungssteller die gleichen Tagessätze wie angestellte Kollegen erhalten möchte, der sollte sich mit Einkommenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen auseinandersetzen. Quelle: Pexels.com

Es ist also nicht sehr clever als junger Kameraassistent, zu denen ich mich auch selbst zähle, auf seine Rechnung 205 Euro/Tag zu schreiben, weil man sich an die aktuelle Mindestgage der Gagentabelle halten möchte, die zudem eigentlich auch nur für Film- und Fernsehproduktionen sinnvoll zu verwenden ist. Stattdessen sollte ausgerechnet werden, wie hoch die eigenen Sozialabgaben (dazu zählt auch die Rentenversicherung!) inklusive Arbeitgeberanteil sind. Diese müssen entsprechend mit in den Tagessatz kalkuliert werden, um auf einen ähnlichen Tagessatz wie der Festangestellte zu kommen. In der Anstellung zahlt ihr selbst beispielsweise nur 7,3 Prozent eures Gehalts in die Krankenversicherung ein, während ihr als Freiberufler die vollen 14,6 Prozent zu tragen habt. Ähnliches gilt für die Rentenversicherung und die Pflegeversicherung. Von der fettgedruckten Zahl auf der Rechnung bleibt am Ende also weniger übrig als vom brutto der Gagenabrechnung. Vergesst außerdem nicht, dass euer Tagessatz auch arbeitslose Zeit, Urlaub und Krankheit beinhalten sollte. Diplom-Kaufmann Pierere Tunger hat auf seiner Webseite eine interessante Auflistung erstellt, weshalb ihr als Freiberufler einen bis zu 47 Prozent höheren Tagessatz verlangen könnt als Angestellte, ohne das es den Arbeitgeber mehr kostet.
Auch mit dieser Argumentation bleibt es gerade bei kleineren Produktionsfirmen schwierig entsprechende Tagessätze von 205 Euro x 1,47 = 301,35 Euro zu erhalten. Leider kommt oft der Spruch „irgendeiner macht's halt günstiger“ zu tragen, was bei den großen Produktionen zwar natürlich ebenfalls vorkommt, aber auch dank der Gagentabelle keine massiven Ausmaße annimmt. Außerdem herrscht meiner Erfahrung nach am großen Set mit projektbezogenen Angestellten ein deutlich professionellerer Umgang mit der Bezahlung, als es beispielsweise beim kleinen Imagefilm-Dreh auf Rechnung der Fall ist. Das ist sicher auch dem geschuldet ist, dass am großen Set mehr Leute mit langjähriger Berufserfahrung zu finden sind, die neben sich selbst auch ihre Familie ernähren müssen. Sicherlich werden die jungen Leute am großen Set auch von ihren Vorgesetzten eher dazu angehalten zukunftssichere Tagessätze zu verhandeln, als der junge und als Einzelkämpfer auftretende Freiberufler, der noch nicht weiß, welche Tagessätze realistisch und nachhaltig sind.
Früh übt sich
Hier sehe ich einen besonderen Knackpunkt. Vor allem viele junge Studenten, die im Filmbereich studieren, machen sich während der ersten Semester selbstständig und sind anfangs noch sehr unsicher, welche Preise denn nun realistisch sind und welche nicht. Schnell kommt dann die erste Projektanfrage, um bei einem kleinen Imagefilm als Assistent zu helfen und da klingen die 150 Euro netto auf Rechnung erstmal ganz gut. Immerhin 15 Euro/Stunde bei einem zehnstündigen Arbeitstag – besser als kellnern. Tatsächlich ist es während des Studiums besonders lukrativ auf Rechnung zu arbeiten, immerhin müssen bis zu einem Gewinn in Höhe von 9.168 Euro (Wert von 2019) keine Einkommenssteuern bezahlt werden. Meist ist lediglich ein geringer studentischer Krankenkassenbeitrag von unter 100 Euro im Monat fällig, da die jungen Selbstständigen nicht mehr länger über ihre Eltern krankenversichert sind. Doch selbst über diesen wissen viele gar nicht Bescheid, weshalb es durchaus vorkommen kann, dass Monate nach dem Start in die Freiberuflichkeit Nachzahlungen an die Krankenkasse anstehen. 
Da wohl die wenigsten Studenten bereits in die Rentenversicherung einzahlen, entspricht der Rechnungsbetrag während der Studienzeit oft fast dem Nettowert, wodurch es sich mit den geringen Tagessätzen erstmal gut leben lässt. Problematisch ist jedoch, wenn dann das Studium endet und auf einmal volle Sozialversicherungsbeiträge fällig werden und auch das Finanzamt an die Türe klopft. Blöd ist dann nur, wenn der Auftraggeber es nicht einsieht deutlich höhere Preise für den ehemaligen Studenten zu bezahlen. Während meines eigenen Studiums hatten wir lediglich einen einzigen Workshop bei einem externen Dozenten, bei dem ausführlicher auf das Thema eingegangen worden ist. Bei Kollegen von anderen Universitäten und Hochschulen höre ich ähnliches. Hier wäre es sicher sinnvoll bereits während der Ausbildung auf realistische Tagessätze einzugehen, auch um den Studenten von vornherein beizubringen, wie viel ihre Arbeit wirklich wert ist – Aufklärungsarbeit kann da nur helfen. ​​​​​​​

Der 2. Kameraassistent ist bei professionellen Produktionen ein wichtiger Bestandteil der Crew. Neben der Organisation der Kameratechnik, insbesondere von Akkus und Speichermedien, ist er auch für das Schlagen der Klappe verantwortlich. (Quelle: Pexels.com)

Fazit
Meine bisherigen Erfahrungen als 2. Kameraassistent bzw. allgemeiner Kameraassistent zeigen also, dass vor allem zwischen der Produktionsart, also beispielsweise Serie, Fernsehfilm, Kinofilm, Werbung und Imagefilm sowie zwischen der Art der Abrechnung, also ob auf Rechnung oder festangestellt gearbeitet wird, unterschieden wird. Bei meinen bisherigen projektbezogenen Anstellungen, was bei großen Projekten der Fall war, durfte ich mich meist über sehr faire Gagen freuen – dank der Gagentabelle hatte ich hier auch immer eine gute Grundlage. Werbeproduktionen unterscheiden sich da noch einmal - hier konnte ich immer noch ein gutes Stück hochhandeln.
Bei der Arbeit auf Rechnung, meist bei kleinen Produktionen, habe ich hingegen viel häufiger das Problem meine Tagessätze durch die Verhandlung zu bringen. Die Konkurrenz aus anderen jungen Assistenten ist hier gefühlt noch höher und viele scheinen leider nicht einzukalkulieren, dass auch noch volle Sozialabgaben und Steuern abfallen. Sogar bei Werbeproduktionen habe ich es da schon erlebt, dass unter 200 Euro netto angeboten wurden. Also sogar weniger als die Gagentabelle vorschlägt. Hinzu kommt hier das Problem, dass ich als Assistent eigentlich gar nicht auf Rechnung arbeiten darf - trotzdem ist es bei kleinen Produktionen gang und gäbe.
Ich hoffe mit diesem Blog-Eintrag konnte ich ein wenig zeigen, wie stark sich die Tagessätze als (zweiter) Kameraassistent unterscheiden und weshalb es oft gar nicht so einfach ist, bei der Anfrage einer unbekannten Produktionsfirma einen Tagessatz zu nennen, da extrem stark zwischen verschiedenen Produktionsarten- und Größen unterschieden wird. Zudem freue ich mich natürlich, wenn ich auch einige Fragen und Unsicherheiten beseitigen konnte. ​​​​​​​
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