In einem früherem Blog-Eintrag berichtete ich über mein rund drei Jahre zurückliegendes Setrunner-Praktikum, bei dem ich zwar sehr viel gelernt hatte, allerdings auch herausfand, dass die Abteilung der Aufnahmeleitung am Set für mich eher weniger geeignet ist. Nichtsdestotrotz möchte ich das Praktikum nicht missen, denn es hat mich einiges gelehrt – nicht nur fachlich. In diesem Blog-Eintrag möchte ich nun auf mein Kamerapraktikum eingehen, das ich etwa ein halbes Jahr nach meiner Zeit bei "Der Lehrer" absolviert habe.
Dank meiner offenbar passablen Arbeit als Setrunner bei der RTL-Serie erfüllte mir mein damaliger Set-Aufnahmeleiter einen großen Gefallen und empfahl mich bei dem Produktionsleiter als Kamerapraktikant für eine spätere Produktion. Es dauerte jedoch einige Zeit, bis die entsprechende E-Mail den Weg in mein Postfach fand. Mit erster professioneller Set-Erfahrung als Setrunner bewarb ich mich zwischen meinen beiden Praktika bei verschiedenen Studenten- und Azubiprojekten, um Erfahrung im Kamerabereich zu sammeln. Parallel schrieb ich den ersten Teil meiner Bachelorarbeit.
Zwischen zwei Praktika
So fand ich auf Crew-United eine Ausschreibung als 1. Kameraassistent für den ambitionierten Abschlussfilm einer Berufsschulklasse. Blauäugig wie ich war bewarb ich mich und wurde auch begeistert genommen – und das obwohl ich noch kein einziges richtiges Projekt als 2. Kameraassistent absolviert hatte. Ganz ehrlich, ich hatte zu dem Zeitpunkt quasi keine Erfahrung mit den professionellen Workflows der Kameraabteilung und konnte in erster Linie lediglich die Erfahrung vorweisen, die ich beim meinem Setrunner-Praktikum am Rande mitbekommen hatte. Das war mir spätestens klar, als ich die Technik-Liste erhielt und große Augen machte als ich realisierte, dass wir nicht mit kleinem Besteck drehen würden. Auch der Kameramann war mir durch diverse Projekte nicht unbekannt und beim ersten Telefonat mit ihm merkte ich schon, dass ich mich im Vorfeld bestmöglich auf den Dreh vorbereiten musste, um überhaupt zu bestehen. Laut Technik-Liste würden wir, wie bei "Der Lehrer", auf einer Arri Alexa Plus drehen und ich bekäme mit der WCU4 auch direkt eine mehr als ordentliche Funkschärfe in die Hand gedrückt. Drei verschiedene Verleiher, darunter Arri selbst, stellten die Technik zur Verfügung und ich musste mich im Vorfeld darum kümmern, dass am Ende auch wirklich alles beisammen war. Problem war nur, dass ich die Hälfte der Technik zu dem Zeitpunkt noch gar nicht kannte.

Mein erstes Projekt als 1. Kameraassistent und dann gleich mit einer Alexa Plus. Ein schweres Gerät, dem ich später regelmäßig begegnet bin.

Also bereitete ich mich wirklich umfassend auf den Dreh vor, ging die komplette Technik-Liste durch und ergoogelte mir alle Unklarheiten. Ein weiteres Problem: Ich hatte noch nie auf einer Alexa gedreht. Durch eine Kollegin konnte ich immerhin bei der IFS in Köln für eine Stunde eine Alexa Classic aufbauen und das Menü durchgehen, um zumindest halbwegs zu wissen, wie ich die wichtigsten Einstellungen fand.
Vor dem eigentlichen Dreh holten wir bei den Verleihern die Technik ab und ich musste als einziger „vom Fach“ Kamera, Objektive, Monitore etc. im sechsstelligen Preisbereich kontrollieren und von der Ladeliste abhaken. Dann wurde es spannend. In der Berufsschule der Azubis baute ich ich die gesamte Kamera mit allen Bestandteilen auf. In den Tagen zuvor hatte ich mir in der Theorie genau angeschaut, was ich beachten muss, damit das gesamte Set mit Bildfunk, Funkschärfe etc. funktioniert. Die Erleichterung war groß, als die Kamera tatsächlich komplett aufgebaut stand und alles nach meinen Vorstellungen lief. Die Vorbereitung hatte sich gelohnt!
Mit einer ordentlichen Portion Nervosität und einem Praktikanten im Schlepptau (noch bevor ich selbst ein Kamerapraktikum antrat) startete der mehrtägige Dreh pünktlich zu Mitternacht und der erste Drehtag dauerte auch direkt bis 15 Uhr am Folgetag. Durch die akribische Vorbereitung gelang es mir tatsächlich meine Aufgabe zu erfüllen, größtenteils scharfe Bilder abzuliefern und unseren Kameramann soweit zufrieden zu stellen. Noch heute frage ich mich, wie ich das geschafft habe, denn mit meinem damaligen Wissen war das gar nicht mal so schlecht (in dem Fall ist das Selbstlob tatsächlich angemessen!)
Während der Drehzeit erhielt ich tatsächlich eine Email des Produktionsleiters, der mich als Kamerapraktikant für zwei Drehblöcke der dritten Staffel von "Club der roten Bänder" anfragte. Das freute mich gleich doppelt. Zunächst freute ich mich sehr, endlich das ersehnte Kamerapraktikum in der Tasche zu haben. Andererseits fand ich damals, und bin auch heute noch der selben Meinung, dass "Club der roten roten Bänder" eine sehr starke Serie mit einer einzigartigen Geschichte ist. Tatsächlich hatte ich die ersten zwei Staffeln der erfolgreichen VOX-Serie gesehen und plante auch fest die dritte Staffel zu sehen. So beschloss ich mich also selbst zu spoilern und sagte für die ersten zwei Drehblöcke mit rund 50 Drehtagen im Sommer zu. Kamerapraktikant – endlich!
Bis es soweit war arbeitete ich noch an mehreren Studentenprojekten der IFS sowie der KHM in Köln als 2. Kameraassistent und lernte nach und nach die Arbeit der Kameraabteilung kennen - ein großer Vorteil, wie sich später beim Praktikum herausstellte.

Mit diesem Kamera-Setup drehten wir einen Teil der dritten Staffel von "Club der roten Bänder". Später wechselten wir auf eine Arri Alexa Plus.

Vom Setrunner zum Kamerapraktikanten
Kurze Zeit vor dem Start des Praktikums rief mich der 1. Kameraassistent an und gab mir erste Drehinfos und teilte mir auch direkt mit, wo und wann der dreitägige Kameratest stattfinden sollte. Außerdem erfuhr ich, dass wir auf einer Red-Kamera arbeiten würden, mit der ich zu dem Zeitpunkt schon einige eigene Studentenprojekte drehen durfte.Was ich ungewöhnlich fand, war, dass mir noch vor Drehstart die Drehbücher über die ersten sechs Folgen zugeschickt wurden. So war ich, noch bevor die erste Klappe geschlagen wurde, bestens über den Inhalt informiert und konnte, anders als beim Lehrer-Praktikum, die erzählte Geschichte während der Dreharbeiten verfolgen.
Schließlich war es soweit und der erste Testtag begann. Ein Mann, der mindestens zwei Köpfe größer war und noch immer ist, begrüßte mich und stellte sich als 1. Kameraassistent vor. Auch der 2. Kameraassistent trudelte bald ein und ich lernte schnell, dass ich als Praktikant erst einmal die Finger von der Kamera zu lassen hatte. Stattdessen durfte ich die Video-Combo aufbauen, Filter putzen, Akkus laden und eine Akkukiste mit allen Ladegeräten basteln. Das mag nicht sehr spannend klingen, im Vergleich zu meinem Setrunner-Praktikum fühlte ich mich aber direkt heimischer und beobachtete interessiert, wie meine beiden Vorgesetzten die Kamera aufbauten und mir verschiedene Dinge erklärten. 
Am Tag vor dem Drehstart stand das Warm-Up mit dem gesamten Team und den Darstellern an und ich lernte Mitpraktikanten kennen, mit denen ich mich ebenfalls gut verstand, und sogar den Kameramann durfte ich bereits mit ein wenig Fragen zu seinem Werdegang löchern. Die Voraussetzungen für einen spannenden Dreh waren also gegeben und so starteten wir mit DT1, den wir auch direkt im Hauptmotiv verbrachten. Dabei handelte es sich um eine leerstehende Etage in einem Bürogebäude, die komplett in ein Krankenhaus umgebaut wurde. Das Set gefiel mir von Anfang an und ich erkannte viele Räume wieder, die ich in den ersten beiden Staffeln schon gesehen hatte. Ich merkte schnell, dass ich mich in der Kameraabteilung deutlich wohler fühlte als in der Aufnahmeleitung. Das lag auch daran, dass meine Vorgesetzten mich ordentlich anlernten und mir viele Dinge zeigten – und mich diese Dinge tatsächlich auch sehr interessierten! Außerdem war ich als Teil der Kameraabteilung immer am Geschehen und stand später als Klappen-Beauftragter oft direkt neben der Kamera, wenn gedreht wurde und nicht etwa hinter verschlossenen Türen, die ich bewachen musste. Nach einigen Tagen Combo-Schupserei hatte ich mich scheinbar soweit bewiesen und durfte weitere Aufgaben übernehmen und auch Optiken und Filter anbringen.
Von Klappen, Marken und schlechtem Hering
Besonders freute ich mich, als ich erstmals Klappe schlagen durfte. Schnell fand ich heraus, dass man daraus durchaus eine Wissenschaft machen konnte und mit den Verbesserungsvorschlägen meiner Abteilung mindestens ein kleines Buch füllen konnte. So lernte ich nach und nach, wie ich die Klappe positionieren musste, damit diese auch wirklich in der Kamera sichtbar ist. Viele Kameramänner sehen es nämlich gar nicht ein, ihr eingerichtetes Bild auch nur um einen Millimeter zu bewegen, um die Klappe ins Bild zu schwenken. Außerdem wurde mir auch eingetrichtert, wie laut die Klappenansagen zu geschehen haben und wie laut ich die Klappe in den verschiedensten Situationen zu schlagen habe. Auch in die geheimnisvolle Kunst der Schlussklappe wurde ich (endlich) vernünftig eingeweiht. In den engen Räumen war es vor allem eine Herausforderung einen Fluchtweg zu finden, bei dem ich nach erfolgter Klappenansage verschwinden konnte, ohne in Spiegelungen zu stehen oder im Bild befindliche Jalousien zum Flattern zu bringen.

Der 2nd AC und sein geknechteter Praktikant. 

Nach und nach durfte ich immer weitere Aufgaben übernehmen und entwickelte mich ein wenig zum zweiten 2. Kameraassistenten. An einem Tag war es dann tatsächlich der Fall, dass der eigentliche 2. Kameraassistent morgens krankheitsbedingt ausgefallen ist und ich ihn den Tag über vertreten musste. Das war natürlich ein etwas stressbehafteter Tag, aber das klappte sehr gut und ich war soweit zufrieden mit mir. 
Nach dem ersten Drehblock mit 24 Drehtagen wechselten Regisseur und Kameramann und auch ein neuer zweiter Kameraassistent kam dazu. Außerdem wechselten wir auf Wunsch des Kameramanns von der Red auf eine Arri Alexa Plus. Mit dem neuen zweiten Kameraassistenten verstand ich mich super (viele Grüße, Martin!) und bei ihm lernte ich schließlich in den nächsten 24 Drehtagen unglaublich viel über Workflows der Kameraabteilung, Klappe schlagen, Marken kleben und vieles mehr – wofür ich sehr dankbar war und bin!
Neben den technischen Aspekten war es für mich auch sehr spannend inhaltlich mitzubekommen, wie sich die Serie entwickelte. Da ich "Club der roten Bänder" tatsächlich vorher schon geschaut hatte, wurde ich natürlich massiv gespoilert und versuchte dies zumindest zu kontrollieren, in dem ich morgens in der Bahn nochmals die Drehbücher in der richtigen Reihenfolge las. Außerdem war es auch schlichtweg ein gutes Gefühl bei diesem Dreh dabei zu sein, da die teils doch recht harte Geschichte konsequent erzählt wurde. Bei "Club der roten Bänder" geht es um eine Gruppe Jugendliche, die sich von verschiedenen Verletzungen und Krankheiten gezeichnet im Krankenhaus kennenlernen und gemeinsam das Beste aus ihrem gemeinsamen Klinikaufenthalt machen und sich schließlich anfreunden. Die Serie geizt dabei nicht mit einigen recht harten Momenten, wofür deutsche horizontal erzählte Serien, zumindest vor zwei bis drei Jahren, nicht unbedingt bekannt waren. Auf Facebook postete das Social Media-Team während der Dreharbeiten regelmäßig Content und es war toll zu lesen, dass tatsächlich viele schwer Kranke die Serie verfolgten und durch diese auch abgelenkt wurden.
Ich hatte also irgendwie auch das Gefühl an einer Produktion mitzuwirken, die mehr als bloße Unterhaltung bietet. Lustig war es hingegen regelmäßig während der Mittagspause zu sehen, wie zahlreiche junge Fans der Schauspieler vor dem Motiv standen und auf Autogramme und Fotos hofften, während das Team leicht neidisch begutachtet wurde. Generell war ich von dem insgesamt recht jungen Cast sehr beeindruckt, die immer freundlich und gut gelaunt waren, was sich auch auf das Team auswirkte. Positiv wirkte sich auch hier wieder das Catering aus. Bis auf eine Portion Hering in Sahnesauße, die erstaunlicherweise ausschließlich mich anderthalb Tage komplett außer Gefecht gesetzt hat, freute ich mich schon am frühen Morgen auf meinen gekühlten Frucht-Smoothie mit einige Happen Rührei und Bacon. Auch das Mittagessen und die Snacks zwischendurch konnten mich überzeugen und so verbrachte ich insgesamt recht gerne die elf bis zwölf Stunden am Set.
Auf's Team kommt's an
Mit dem neuen Kameramann kamen auch einige Neuerungen mit sich. So begannen wir häufiger mit Steadicam zu arbeiten, was für mich besonders interessant war. Spannend waren auch die Drehs außerhalb des Hauptmotivs, so drehten wir einen Tag auf einem Festival-Gelände mit rund 70 Komparsen, ein anderes Mal in einer Schule mit einer ganzen Klasse und sogar ein Besuch im Schwimmbad stand an. Generell war es schön ab und an aus dem Hauptmotiv rauszukommen, denn im Hochsommer wurde die Etage zum Hochofen. Bei 35 Grad Außentemperatur, heißen Lampen und geschlossenen Fenstern lief bereits morgens früh der Schweiß aus allen Poren. Den Geruch im Krankenhaus-Studio kann ich mir noch heute in Erinnerung rufen. Seit diesem Dreh bin ich was Hitze angeht zumindest gewappnet. Doch das Team machte das Beste aus der Situation. Besonders lustig war, als wir am letzten Drehtag des ersten Blocks alle kurzzeitig die Positionen am Set tauschten und jeder mit einem gezogenen Zettelchen in eine neue Position versetzt wurde. Plötzlich war ich Innenrequisiten-Assistenz, die Regisseurin musste in die Licht-Abteilung und der Set-Aufnahmeleiter war für die Maske zuständig. Das dauerte zwar nur zehn Minuten an, doch es entstanden unzählige erinnerungswürdige Momente und schweißte das Team zusammen.

Ja, es war heiß. Selbst unseren Plastikbechern wurde es an manchen Tagen zu viel.

Nach rund 50 Drehtagen ging meine Zeit schließlich zu Ende und im dritten Block wurde die Kameraabteilung noch einmal komplett ausgetauscht, sodass meine Kollegen und ich alle gemeinsam ihren letzten Tag hatten. Am Ende des letzten Tages überreichten mir beide Kameraassistenten noch verschmitzt grinsend einige verschlossene Päckchen – offenbar hatte ich mir tatsächlich ein Abschiedsgeschenk verdient! Neben einem Leatherman, der bis heute oft im Einsatz ist, freute ich mich über einen Gürtel mit passender Seitentasche. Es gab für meine Kollegen und mich einen letzten Rückladetag beim Verleiher und dann war das Praktikum auch schon zu Ende. Noch bis heute erinnere ich mich wirklich gerne daran. Ich habe unglaublich viel in dieser Zeit gelernt, sehr gute Kontakte geschlossen und auch das Gefühl gehabt, Teil einer wirklich guten Serie gewesen zu sein.
Jetzt, also knapp zwei Jahre später, bin ich sehr froh, dass ich ein Kamerapraktikum absolviert habe. Einen Großteil meines Wissens über Kameratechnik habe ich in diesen etwa 50 Tagen erworben. Auch wenn ich nun häufig bei kleineren Drehs dabei bin und mit kleineren Teams arbeite, bin ich fest der Meinung, dass professionelle Workflows vom großen Set auch auf kleinere Projekte übertragen werden können, wodurch ich einen großen Vorteil für mich sehe.
Sicherlich ist es auch enorm abhängig, mit welchen Personen man als Praktikant in der Kameraabteilung arbeitet. Ich hatte das große Glück zwei Assistenten über mir zu haben, die gerne alle Fragen beantwortet haben und mit denen ich auch lachen konnte. Gerade an langen und anstrengenden Drehtagen hilft es enorm, wenn man sich auf die eigene Abteilung verlassen und auch Spaß haben kann. Zudem schien ich auch einen passablen Praktikanten abgegeben zu haben, denn "Club der roten Bänder" war nicht unser letztes gemeinsames Projekt gewesen. Durch das Praktikum habe ich also auch gelernt, dass es enorm wichtig ist, mit welchen Leuten man zusammenarbeitet und dass ein motiviertes Team, mit dem man sich gut versteht, unbezahlbar ist. Immerhin verbringt man mit diesen Leuten in manchen Wochen oder gar Monaten gut die Hälfte der Lebenszeit am Set.

Nach rund 50 Drehtagen gaben wir die Kameraabteilung ab und die Alexa Plus durfte einige Tage Pause machen.

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